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Sind die Kinderfreibeträge in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen?

Niedersächsisches Finanzgericht entscheidet über mögliche Vorlage an das Bundesverfassungsgericht


Der 7. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts wird sich in einer mündlichen Verhandlung am Freitag, den 2. Dezember 2016 mit der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelungen zum Abzug des Kinderfreibetrags (§ 32 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes) befassen (Aktenzeichen des Verfahrens: 7 K 83/16).

Hintergrund:

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens ein Betrag in Höhe des Existenzminimums steuerfrei bleiben. Auf den Teil des Einkommens, den man bei Bedürftigkeit als Sozialleistung erhalten würde, darf keine Einkommensteuer erhoben werden. Die Höhe des Existenzminimums wird alle zwei Jahre von der Bundesregierung ermittelt. Auf Grundlage dieser Ermittlung wird bei der Festsetzung der Einkommensteuer für jedes Kind ein Freibetrag für das sächliche Existenzminimum und ein Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- bzw. Ausbildungsbedarf abgezogen. Dieser nach einer Durchschnittsberechnung vom Gesetzgeber festgelegte Kinderfreibetrag legt dabei für alle Kinder ein sächliches Existenzminimum zugrunde, das niedriger ist als der sozialhilferechtliche Regelbedarf eines Kindes ab dem 6. Lebensjahr. Das gilt auch für ältere oder volljährige Kinder, die z.B. wegen einer Ausbildung oder als behinderte Kinder zu berücksichtigen sind.

Das hält die Klägerin für verfassungswidrig, weil sie damit Einkommensteuer auf das Existenzminimum ihrer zwei Töchter (16 und 21 Jahre alt, in Ausbildung) zahlen müsse. Würde der Freibetrag für die Kinder so wie für alle anderen Steuerpflichtigen mit dem Grundfreibetrag angesetzt, seien die steuerlichen Auswirkungen erheblich (im Streitfall für zwei Kinder: mehr als 800 € in einem Jahr).

Zusätzlich macht die Klägerin geltend, konkret für das Streitjahr 2014 hätte der Gesetzgeber in jedem Fall einen um jährlich € 72 etwas höheren Freibetrag selbst nach seiner eigenen Berechnungsmethode ansetzen müssen.

Das Verfahren hat Bedeutung für alle Eltern, die für ihre Kinder einen Anspruch auf Kindergeld oder einen Kinderfreibetrag haben. Eine Erhöhung der einkommensteuerlichen Kinderfreibeträge wirkt sich nicht nur bei solchen Steuerpflichtigen aus, für die der Kinderfreibetrag günstiger ist als das Kindergeld, sondern betrifft alle, weil die Kinderfreibeträge immer bei der Festsetzung der Kirchensteuer und des Solidaritätszuschlages berücksichtigt werden. Die derzeit in Aussicht genommene Erhöhung des Kinderfreibetrages ändert an der Problematik nichts, weil die Berechnungsmethode unverändert bleibt.

Es kommt in Betracht, dass das Gericht einen Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht erlässt. Das wäre der Fall, wenn das Gericht von der Verfassungswidrigkeit der derzeitigen gesetzlichen Regelung überzeugt ist. Allein das Bundesverfassungsgericht hat die Kompetenz, darüber zu entscheiden, ob ein Gesetz verfassungswidrig ist.

Die mündliche Verhandlung beginnt am

2. Dezember 2016 um 10 Uhr in Sitzungssaal 4 des Fachgerichtszentrums,

Leonhardtstraße 15, 30175 Hannover.

Das Gericht wird voraussichtlich am Verhandlungstag eine Entscheidung verkünden.

An der Verhandlung Interessierte müssen berücksichtigen, dass Besucher des Fachgerichts­zentrums am Eingang kontrolliert und durchsucht werden und sollten die dafür erforderliche Zeit einplanen. Pressevertreter werden gebeten, sich vorab bei der Pressestelle des Niedersächsischen Finanzgerichts zu akkreditieren.

Kontaktdaten für Rückfragen und Anmeldungen:

RiFG Dr. Thomas Keß , thomas.kess@justiz.niedersachsen.de, 0511/89750-508

  Bildrechte: Christian Wyrwa

Sitzungssaal im Fachgerichtszentrum

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